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Sonntags-Matinee mit Georg Bertram und Lauren Newton

Ort: exploratorium berlin, Saal

Lauren Newton: Traces – Stimmperformance

Georg Bertram: „Menschliche Praxis als improvisatorische Praxis“
Der Philosoph Georg Bertram im Gespräch mit Mathias Maschat

„Beim Heranwachsen improvisierte unser inneres Künstler*innen-Kind immerzu, und eigentlich improvisieren wir alle ohnehin tagtäglich, etwa mit unserer Stimme und unseren Worten in Gesprächen, ohne jemals darüber nachzudenken. Musikalische Improvisation in einem freieren Sinn breitet ein offenes Feld vor uns aus, um das Wesen der Musik aus einer anderen Perspektive zu explorieren, von innen heraus nach außen, anstatt von den Noten auf einem Blatt Papier.“
(Lauren Newton: Vocal Adventures. Free Improvisation in Sound, Space, Spirit and Song, Hofheim: Wolke, 2022, S. 17)

„Die Ungewissheit des Improvisierens bildet ein zentrales Moment seiner explorativen Kraft. Nur improvisierend können wir das erkunden, was uns nicht vertraut ist. Wenn wir im Raum der Gewissheit verharren, bleiben uns die Welt und die anderen verschlossen. Insofern macht die Ungewissheit eine wichtige Errungenschaft des Improvisierens aus. Sie bildet ein besonders wichtiges Element einer Haltung, mit der wir uns der Welt und anderen gegenüber öffnen.“
(Georg W. Bertram, Michael Rüsenberg: Improvisieren! Lob der Ungewissheit, Stuttgart: Reclam, 2021, S. 106)

Der Beitrag unseres Denkraum Improvisation zur Eröffnung der neuen Räume findet in Form einer Sonntags-Matinee statt. Eingeleitet wird diese mit einer Traces betitelten Stimmperformance der wegweisenden und 2020 mit dem Sonderpreis Lebenswerk Jazz-Preis Baden-Württemberg ausgezeichneten Vokal-Artistin Lauren Newton. Geboren in Oregon (USA), absolvierte sie ein klassisches Gesangsstudium an der University of Oregon und an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart; seit 1974 lebt sie in Baden-Württemberg. Als wichtigste Triebkraft ihres Schaffens erwies sich für sie schließlich die Lust an der freien Improvisation. Nach Lehrtätigkeiten in Graz, Essen und Berlin war sie von 1993 bis 2019 Professorin für Jazzgesang und freie Improvisation an der Musikhochschule Luzern, gefolgt von einem Lehrauftrag für Improvisation, Musik und Bewegung an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen in den Jahren 2019 bis 2020. Sie arbeitete unter anderem mit Ernst Jandl, Bobby McFerrin, Jeanne Lee, dem Vienna Art Orchestra, Maggie Nicols, Peter Kowald, Barre Phillips, Maria João, Aki Takase, Joëlle Léandre, Anthony Braxton und vielen anderen Größen der internationalen Improvisations-Szene; außerdem trat sie als Solistin in verschiedenen Theater- und Tanzproduktionen auf. In ihrem kürzlich veröffentlichten Buch Vocal Adventures bündelte sie eine Vielzahl ihrer einschlägigen Erfahrungen. „Mit ihrer Art zu singen hat sie Türen zu neuen musikalischen Klangräumen aufgestoßen und das Spektrum vokalen Ausdrucks auf faszinierende Weise erweitert.“ (Bert Noglik) Im exploratorium trat Lauren Newton zuletzt 2021 mit ihrer Gruppe Blindflug auf und im kommenden Oktober bietet sie einen Wochenend-Workshop an, ebenfalls Vocal Adventures  (27.–29.10.) betitelt. Außerdem leitet ihre Performance den Schwerpunkt „STIMME“ des kommenden Denkraum-Programms ein, wenn Alex Nowitz (05.10.), Ute Wassermann (16.11.) und Charlotte Hug (01.12.) im exploratorium zu Gast sein werden.

Für den zweiten Teil der Sonntags-Matinee ist der seit 2007 an der FU Berlin lehrende Philosoph Prof. Dr. Georg W. Bertram eingeladen. Seine Schwerpunkte liegen vor allem in den Bereichen der philosophischen Ästhetik und der Sprachphilosophie. Er gehört zu den wenigen Philosophen, die sich intensiv mit Fragen der Improvisation und des Improvisierens auseinandersetzen. Eingebettet ist Georg Bertrams Forschung hierzu in seine Beschäftigung mit Kunstphilosophie und Ästhetik, wozu er umfassend und öffentlichkeitswirksam publiziert hat. Seine Überlegungen zu Kunst zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass er Kunst dezidiert als eine menschliche Praxis verortet und diese als „eine hochproduktive reflexive Praxis im Rahmen des menschlichen Weltverhältnisses“ ansieht – ja, dass Kunst überdies hinaus ganz entscheidend als eine „Praxis der Freiheit“ begriffen werden muss. Zu Improvisation veröffentlichte er 2021 gemeinsam mit dem Jazz-Journalisten Michael Rüsenberg das in der Reclam-Reihe Was bedeutet das alles? erschienene Buch Improvisieren! Lob der Ungewissheit, in dem sie Improvisation als eine essentielle und grundlegende menschliche Fähigkeit einordnen und in ihrer umfassenden Bedeutung in den verschiedenen Lebensbereichen des  menschlichen Handelns herausarbeiten. Seit 2022 leitet Georg Bertram das Teilprojekt Improvisation als Paradigma künstlerischer Interventionen im Rahmen des neuen Sonderforschungsbereichs Intervenierende Künste der FU Berlin. Zahlreiche Aufsätze künden zudem von seiner Improvisations-Expertise, angefangen im Jahr 2000 zu einer Ästhetik der Offenheit über Improvisation und Normativität 2010 bis hin zu mehreren Artikeln in den vergangenen Jahren im Kontext des Themenfelds „Menschliche Praxis als improvisatorische Praxis“, das auch den Fokus des Gesprächs mit Denkraum-Leiter Mathias Maschat abbildet.

NO(W)HERE – Lauren Newton (Stimme) mit Joëlle Léandre (Kontrabass), Christine Chu (Tanz), Carolin Bock (Licht) und Koho Mori (Bühnenbild) anlässlich der Verleihung des Baden-Württembergischen Jazzpreis für ihr Lebenswerk

Georg Bertram im Gespräch mit Michael Rüsenberg: „Dieses Gespräch ist improvisiert“

 

Eintritt: 10/5 € (Normalpreis/ermäßigt)
Keine Reservierung erforderlich

Aufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?v=3X8ihiaelKc

Die Veranstaltung ist Teil des Monats der zeitgenössischen Musik: https://www.field-notes.berlin/mdzm

Logo Monat der zeitgenössischen Musik

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