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© Alfred 23 Harth

März 2023

imp[or]trait #9: Alfred 23 Harth – “Life Can Be A Gestalt In Time”

imp[or]trait #9: Alfred 23 Harth – “Life Can Be A Gestalt In Time”Zu Gast: Alfred 23 Harth | Moderation: Mathias Maschat2023Do02März20:00Denkraumimp[or]trait20:00 exploratorium berlin, Saal

Zeit/Time

Donnerstag, 02. 03. 2023 | 20:00

Ort/Location

exploratorium berlin, Saal

Inhalt/Content

Gespräch auf Deutsch

Zu Gast: Alfred 23 Harth
Moderation: Mathias Maschat

Die Neue Zeitschrift für Musik nannte ihn einen der „profiliertesten Jazz-Avantgardisten Westdeutschlands“; der portugiesische Blog Jazz e Arredores titulierte ihn gar als eines der „am besten gehüteten Geheimnisse Deutschlands der letzten 40 Jahre“. Sollte Letzteres stimmen, wäre es an der Zeit, einige der Geheimnisse zu lüften.

Zu Gast in der Gesprächsreihe imp[or]trait ist der Multiinstrumentalist, Komponist und Multimediakünstler Alfred 23 Harth – Allround-Talent und ikonische Figur in der Entwicklung freier Musik in Deutschland. Ausgangsgedanke ist das Bonmot „life can be a gestalt in time“ des Begründers der humanistischen Psychologie Abraham Maslow, welches Harth bereits 1981 auf dem Goebbels/Harth-Album Der Durchdrungene Mensch – Zyklus Über Den Modernen Mensch anführte. Unter Berücksichtigung von Politik, Gesellschaft und Ästhetik wirft Harth im Gespräch mit Mathias Maschat den Blick auf sein Leben zwischen Musik, Bildender Kunst und Dichtung, zwischen politischer Agitation, Happening und Organisation: auf sein Leben als eine sich in der Zeit entfaltende Gestalt, als eine in sich stimmige Gesamtheit.

Geboren 1949 im Taunus, wuchs Harth in Frankfurt am Main auf. Er gründete 1967 die frei improvisierende Gruppe Just Music, deren Platte 1969 als zweite Veröffentlichung überhaupt auf ECM erschien und mit der er 1970 mit Mitgliedern der Chicagoer AACM kooperierte. Ebenfalls 1967 eröffnete Harth in Frankfurt das centrum freier cunst für improvisierte Live-Musik, Kunstausstellungen und Experimentalpoesie. Die Liste seiner berühmten und stilprägenden Kollaborator*innen ist schier endlos und spricht Bände. Sie beginnt mit  Sven-Åke Johansson und Rüdiger Carl, mit denen er 1968 im legendären Zodiak Free Arts Lab in Berlin spielte. Ab 1970 wohnte er mit der belgischen Künstlerin und Pianistin Nicole Van den Plas zeitweilig in Belgien, wo sich in Brügge und Antwerpen eine fruchtbare Free-Jazz-Szene entwickelt hatte, gab dort Konzerte mit ihr, Paul Lovens und Peter Kowald. Er gründete 1972 die Gruppe E.M.T. (Energy/Movement/Totale) mit Van den Plas und Sven-Åke Johansson. In dieser Zeit gehörte Harth zeitweise auch zu Gunter Hampels Galaxie Dreamband und knüpfte erste Verbindungen zur New Yorker Szene, namentlich zu Perry Robinson, John Fischer, Jay Clayton und den Brubeck-Söhnen, mit denen er Mitte der 1970er in der Loft-Szene New York spielte.

Zurück in Frankfurt gründete Harth mit dem Komponisten und Musiktheater-Regisseur Heiner Goebbels das Duo Goebbels/Harth (1975–1988), das unter anderem durch seine Eisler- und Bachbearbeitungen bekannt wurde. Von 1976 bis 1981 gehörte Harth mit Goebbels zum Kern des Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters, einer Großformation, die Aktionen der Frankfurter Spontiszene musikalisch begleitete. Joachim-Ernst Berendt bezeichnete die zweite Goebbels/Harth-LP Vom Sprengen des Gartens (1979) als den wichtigsten deutschen Jazz-Tonträger der 1970er Jahre und produzierte mit Goebbels/Harth 1981 die Jazz & Lyrik-LP Zeit wird knapp mit Texten von Bertolt Brecht. Zur gleichen Zeit begann Harth, erweiterte Medien wie Tonband-Loops, Fieldrecordings und Objets trouvés in seine Musik zu integrieren, komponierte seine erste Theatermusik und stellte seine künstlerischen Arbeiten in Frankfurt aus.

Mit dem Ziel, Punk, Jazz und Neue Musik zusammenzuführen, initiierte Alfred Harth 1980 mithilfe seines Kontakts zu ECM/JAPO die LP Es herrscht Uhu im Land und engagierte hierfür Heiner Goebbels, Christoph Anders, Paul Lovens, Rolf Riehm und Annemarie Roelofs. Dieses Ziel wurde in der von Harth mitbegründeten Gruppe Cassiber weiterverfolgt, der außer ihm Heiner Goebbels, Chris Cutler und Christoph Anders angehörten; sie können als westdeutsche Parallelentwicklung zur New Yorker Downtown-Szene angesehen werden und waren als solche extrem einflussreich und stilbildend. 1983 initiierte Harth die Projektgruppe Duck & Cover mit Tom Cora, Chris Cutler, Fred Frith, Heiner Goebbels, Dagmar Krause und George Lewis. Für seine ECM-Platte This Earth! und weitere Konzerte spielte er mit Paul Bley, Barre Phillips, Maggie Nicols und Trilok Gurtu. 1984 gründete er die postmodern ausgerichtete Gruppe Gestalt et Jive u. a. mit Steve Beresford und Peter Hollinger.

Harth begann Sampler, Performances und Videos in seine Musik einzubauen; die Platte Anything Goes (1986) war seine erste Remix-Arbeit. Weiterhin unterhielt er ein Duo mit John Zorn und ein Trio mit Peter Brötzmann und Sonny Sharrock. Er war Mitglied von Lindsay Coopers Gruppe Oh Moscow. 1988 gründete er die Gruppe Vladimir Estragon mit FM Einheit, Ulrike Haage und Phil Minton.

2000 gründete Harth das Trio Viriditas mit Wilber Morris und Kevin Norton in New York und war 2001–2002 Stipendiat am Ssamzie-Space in Seoul. Er verlegte seinen Arbeitsschwerpunkt nach Ostasien, spielte Konzerte mit Kang Tae Hwan, Choi Sun Bae, Park Chang Soo und vielen anderen. Zu seinen weiteren musikalischen Partnern gehören seither Kazuhisa Uchihashi und Otomo Yoshihide, in dessen Ensembles er festes Mitglied war.

Mit Günter Müller, Hans Joachim Irmler (Faust) und Wolfgang Seidel (Ton Steine Scherben) konzipierte er das Quartett Taste Tribes, mit dem er am 4. März 2023 im ausland spielt: https://ausland-berlin.de/agnellanzvatcher-taste-tribes

In Kooperation mit biegungen im ausland

 

Aufnahme: https://www.youtube.com/watch?v=g-5p72Tltuk

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