Carry On – Thinking From the End ist ein mehrjähriger transdiziplinärer Projektzyklus der isländischen, kanadischen und deutschen Künstler:innen Angela Snæfellsjökuls Rawlings, Joe Sorbara und Matthias Mainz, in dem sie sich mit Improvisationspraktiken im Kontext von Naturrechten auseinandersetzen. Durch ihre Arbeit mit Klang, Poesie und Ökosystemen beschäftigen sie sich aktiv mit Räumen, in denen menschliche und nicht-menschliche Zeitvorstellungen aufeinandertreffen, und evozieren eine Überschneidung und Verflechtung verschiedener Zeitvorstellungen in musikalischer und kommunikativer Interaktion. Ihre improvisierte und musikalisch-poetische lecture performance für die leeways-Reihe des exploratorium wird ergänzt durch ein Gespräch mit Mathias Maschat, in dem die Schnittstellen zwischen Improvisation und den inhärenten Rechten der Natur untersucht werden.
Rawlings, Sorbara und Mainz entwickeln in ihrem Zyklus performative Formate und künstlerische Forschungsprojekte, um in der gemeinsamen Auseinandersetzung den Fragen von Widerständigkeit und Widerstandsfähigkeit von ökologischen, sozialen und politischen Kontexten im Zeitalter des sich selbst beschleunigenden Klimawandels zu begegnen. In ihrer künstlerischen Arbeit komponieren sie mit gefundenen Objekten und Textmaterialien, konkreter Poesie und Performance-Partituren, improvisieren und interagieren mit Präparationen und erweiterten Techniken und stellen so Analogien her zwischen Kippmomenten, Grenzen und Öffnungen in ökologischen, sozialen und politischen Räumen. Sie sind unterschiedlich geprägt durch Poetik, Improvisation, zeitgenössische Musik und transmediale Kunst. Was sie alle drei verbindet, ist ihre intensive, jeweils eigenständige Zusammenarbeit mit dem 2025 verstorbenen kanadischen Sound-Poeten Paul Dutton. So ist es nicht verwunderlich, dass der prägende Eindruck, den Duttons Transformation von konkreter Poesie, erweiterten Stimmtechniken und Performance hinterlassen hat, ihren gemeinsamen Ausgangspunkt bildet.
Die Eigenrechte der Natur – Rights of Nature – sind eine mittlerweile globale Bewegung vielfältiger lokaler Projekte und Akteure in der Bemühung, Naturkörpern Personenrechte zuzugestehen, um sie in der rechtlichen Auseinandersetzung auf gleiche Ebene mit staatlichen und transnationalen Akteuren wie globalen Unternehmen zu stellen. Der Projektzyklus Carry On – Thinking From The End verbindet künstlerisch-transformatorische Projekte mit Vermittlung und Diskussion der Themen und Kontexte des Rights of Nature–Diskurses. Ökologische, ökonomische ebenso wie rechtliche, kulturelle und soziale Fragen werden nebeneinander gestellt und performativ gespiegelt.
Dr. Angela Snæfellsjökuls Rawlings ist eine kanadisch-isländische interdisziplinäre Künstlerin und Forscherin. Rawlings arbeitet schwerpunktmäßig mit Sprachen als Erkundungsmaterial. Zu Rawlings’ Büchern gehören Wide slumber for lepidopterists (Coach House Books, 2006), Gibber (online, 2012), o w n (Cue Books, 2015), si tu (MaMa Multimedijalni Institut, 2017) und Sound of Mull (Laboratory for Aesthetics and Ecology, 2019). Im Jahr 2022 war Rawlings Ko-Kuratorin des Sphere-Festivals für das Canadian National Arts Centre Orchestra in Zusammenarbeit mit dem Canadian Museum of Nature, der Royal Danish Library und Nordic Bridges. 2024 gründete Rawlings mit Snæfellsjökul fyrir forseta (isl.: „Snæfellsjökul als Präsident:in“) die erste isländische Organisation für Eigenrechte der Natur. Im Jahr 2025 wurde Rawlings’ Einzelausstellung Motion to Change Colour Names to Reflect Planetary Boundary Tipping Points in einer stillgelegten isländischen Düngemittelfabrik eröffnet. Rawlings unterrichtet an der isländischen Universität der Künste.
Matthias Mainz ist ein transdisziplinärer Musiker, kuratierender Künstler und Autor. Von 2001 bis 2012 realisierte er elektroakustische Musik, szenografische Arbeiten und Theater. Seit 2012 beschäftigt sich Mainz mit Fragen der transkulturellen Musik und ihrer Einbettung in nationale und internationale Kulturpolitik mit Recherchen in Kabul, Teheran und Istanbul und realisiert als Geschäftsführer des Plattform für Transkulturelle Neue Musik e. V. kuratorische, musikalische und künstlerisch-wissenschaftliche Arbeiten. Als Instrumentalist bildete die Verbindung von Improvisation, Mikrotonalität, erweiterten Spieltechniken und Elektronik auf der Trompete bis 2014 den Schwerpunkt seiner musikalischen Arbeit. Seit etwa 2017 wendet sich Mainz autodidaktisch dem Piano zu, in der Transformation von Jazz und zeitgenössischer Musik mit multistilistischen Improvisationskonzepten, Präparationen und Live-Elektronik.
Die kanadischen Schlagzeuger*innen und Perkussionist*innen Joe Sorbara haben sich über Jahrzehnte hinweg einen Ruf als engagierte und einfallsreiche Interpret*innen, Komponist*innen, Improvisator*innen, Kollaborateur*innen, Organisator*innen, Zuhörer*innen, Autor*innen und Pädagog*innen erarbeitet. Sie haben viele Jahre bei Jim Blackley studiert und seine Meisterkurse absolviert. Sie halten einen Honours Bachelor of Fine Arts in Music der York University in Toronto und einen Masterabschluss in Englisch der University of Guelph. Sorbara haben mit Musiker*innen wie Anthony Braxton, Paul Dutton, Joe McPhee, Evan Parker und William Parker konzertiert und aufgenommen. Sie unterrichten seit 2007 an der School of Fine Arts and usic der University of Guelph sowie als Workshop- und Gastdozent an verschiedenen Orten in Kanada. Sorbara arbeiten im Vorstand des Kunstraums Silence und als künstlerische Leiter*innen des Guelph Jazz Festival. Zudem schreiben sie an einer Doktorarbeit in Critical Improvisation Studies.