Die Ära des Stummfilms war zugleich eine Ära der musikalischen Improvisation in der Begleitung der Filme. Dies begann gleich im Jahr 1895 mit der ersten öffentlichen Filmvorführung, in der live gespielte Klänge und Musik eine integrale Rolle spielten. Pianist*innen und Orchestermusiker*innen nutzten ihre Fähigkeiten, um die Stimmungen und Emotionen der Szenen zu unterstreichen, in der Regel ohne festgelegte Partituren. Improvisation ermöglichte es, flexibel auf die sich entwickelnde Handlung zu reagieren und den Film dynamisch zu unterstützen. Mit der Einführung der experimentellen Stummfilme, die oft unkonventionelle Narrative und visuelle Stile beinhalteten, stieg die Bedeutung der improvisatorischen Begleitung noch weiter.
Als Auftakt für das Symposium: Filming Improvisation – Improvising with Film hat die international gefragte Stummfilm-Pianistin Eunice Martins ein Filmprogramm ebenso wie ein Quartett zusammengestellt. Zu Gast sind für Sound & Lecture N° 25: Film – Sound – Improvisation neben Eunice Martins die Perkussionistin Sofia Borges, die Drehleier-Spielerin Caroline Cecilia Tallone und der Gitarrist Eric Wong, mit denen sie zu insgesamt fünf experimentellen Stummfilmen improvisiert. Gezeigt werden Filme aus den 1910er- bis 1920er-Jahren von Eugene Deslaw, Lea Giunchi Guillaume, Hans Richter und Germaine Dulac ebenso wie ein Film von Patrice Kirchhofer aus dem Jahr 1977. Im Anschluss daran berichtet sie im Gespräch mit Mathias Maschat von ihrer künstlerischen Arbeit und der besonderen Verbindung von improvisiertem Klang und bewegtem Bild.
Eunice Martins ist eine renommierte Stummfilm-Pianistin und Klangkünstlerin, die sich u. a. auf die Live-Begleitung von Stummfilmen und experimentellen Filmen spezialisiert hat, sowie für Film- und VR-Produktionen Musik komponiert und das Sound Design macht. Seit dem Jahr 2000 ist sie die Hauspianistin des Berliner Kino Arsenal – Institut für Film- und Videokunst. Sie studierte Klavier und Komposition an der Universität der Künste in Berlin und begann ihre Karriere als Musikerin in den 1990er Jahren. Eunice Martins ist weltweit in Filmtheatern, bei Festivals und in weiteren kulturellen Institutionen aufgetreten. Ihre Arbeit zeichnet sich durch eine enge Verbindung von Bild und Klang aus, wobei sie klassische Techniken der Stummfilmbegleitung mit improvisatorischen und experimentellen Ansätzen kombiniert. Neben ihren Auftritten widmet sie sich der Lehre und gibt Workshops zur Stummfilmbegleitung. Martins‘ künstlerische Praxis umfasst auch interdisziplinäre Projekte, bei denen sie mit Filmregisseur*innen, Tänzer*innen und bildenden Künstler*innen zusammenarbeitet.
Sofia Borges, Cecilia Caroline Tallone und Eric Wong sind vielseitige Musiker*innen, die alle drei im Bereich der freien Improvisation arbeiten und als integrale der Berliner Echtzeitmusik-Szene gelten können. Sofia Borges ist als Perkussionistin, Komponistin und Improvisatorin durch eine Vielzahl von internationalen Projekten bekannt geworden ist. Als Solokünstlerin und in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten internationalen Künstlern aus den Bereichen zeitgenössische Musik, improvisierte Musik, Free Jazz und globale Musik ist sie auf einer Vielzahl internationaler Festivals aufgetreten. Caroline Cecilia Tallone lebt als Musikerin und Geigenbauerin in Berlin. Mit einem breiten musikalischen Hintergrund spielt sie experimentelle und elektroakustische Musik auf ihrer modifizierten Drehleier. Sie trat in ganz Europa auf, organisierte Veranstaltungen und nahm an künstlerischen Residenzen teil. Eric Wong ist sowohl Gitarrist als auch Elektronikmusiker. Als Gitarrist tritt er als Solist und in frei improvisierenden Gruppen auf. Als Elektronikmusiker konzentriert er sich bei seinen Kompositionen und Auftritten auf die Verwendung von Smartphones und Bluetooth-Lautsprechern.
19:00: soundwalk mit Thomas Gerwin