Harald Kisiedu ist Musikwissenschaftler, Autor und Saxofonist. In seiner Forschung setzt er sich intensiv mit der Geschichte des experimentellen Jazz auseinander, mit besonderem Augenmerk auf Schwarze Free-Jazz-Traditionen. Dabei versteht er seine Arbeit explizit als Intervention in etablierte Narrative und historiografische Perspektiven. In der zehnten Ausgabe der Reihe key_concepts spricht er mit Mathias Maschat über Improvisationsgeschichte als Intervention.
Kisiedu studierte Politikwissenschaft und Germanistik in Hamburg und promovierte anschließend in historischer Musikwissenschaft an der renommierten Columbia University in New York bei George Lewis. Ein Postdoc-Stipendium führte ihn an das International Institute for Critical Studies in Improvisation in Kanada.
Auf Grundlage seiner Dissertation veröffentlichte er 2020 im Wolke Verlag das Buch European Echoes: Jazz Experimentalism in Germany, 1950–1975. Die Studie hinterfragt im Sinne des Interventionsgedankens gängige Emanzipationsnarrative der europäischen freien Musik und legt eine bislang übersehene Geschichte Schwarzer musikalischer Symbolik offen. Es thematisiert dabei auch die Einflüsse afrodiasporischer auf weiße europäische Improvisator*innen und ordnet diese musikhistorisch sowie kulturwissenschaftlich ein.
2023 erschien, ebenfalls im Wolke Verlag, der von ihm gemeinsam mit George Lewis herausgegebene Sammelband Composing While Black. Afrodiasporische Neue Musik Heute. Afrodiasporic New Music Today. Auch dieses Buch versteht sich als kritische Intervention: Es macht einerseits die epistemischen Strukturen sichtbar, durch die afrodiasporische Komponist*innen in der Neuen Musik marginalisiert werden, und schafft andererseits Raum für ihre Sichtbarkeit und Anerkennung.
Kisiedu publiziert regelmäßig in Fachjournalen und Magazinen wie The Wire, The Grove Dictionary of American Music, Critical Studies in Improvisation, Journal der Künste, Van Outernational, Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung, im Magazin des Jazzfest Berlin sowie im Ensemble Modern Magazin.
Als Saxofonist arbeitete er mit Champion Jack Dupree, Hannibal Lokumbe, Branford Marsalis, George Lewis, Henry Grimes und Burnt Sugar, the Arkestra Chamber.