leeways #3: Improvisation und Verwaltung oder »Nur das Unnütze ist von Dauer« (Ein elektro-akustischer Adorno-Essay)
Elektroakustische Performance + Gespräch auf Deutsch
Zu Gast: Joachim Zoepf
Moderation: Mathias Maschat
Improvisation und Verwaltung – das klingt intuitiv nach zwei schier unvereinbaren Begriffen. Und in der Tat finden sich manche zuwiderlaufende Aspekte, die Improvisation und Verwaltung als Gegenbegriffe begründen. Jedoch lohnt es sich auch denjenigen Aspekten nachzuspüren, welche ein Wechselverhältnis oder eine konkretere Verbindung zwischen Improvisation und Verwaltung nahelegen. Anlass, um über das Verhältnis von Improvisation und Verwaltung nachzudenken, ist die Auseinandersetzung des Komponisten und improvisierenden Saxofonisten und Bassklarinettisten Joachim Zoepf mit dem Vortrag Kultur und Verwaltung von Theodor W. Adorno aus dem Jahr 1959. Ergebnis dieser 2019 begonnenen Auseinandersetzung ist der elektro-akustische „Adorno-Essay“ Nur das Unnütze ist von Dauer. In der dritten Ausgabe der leeways-Reihe des Denkraum Improvisation wird das Stück aufgeführt, gefolgt von einem Gespräch zwischen Joachim Zoepf und Mathias Maschat über das Gehörte ebenso wie über die Hintergründe und Dimensionen des Begriffspaars Improvisation und Verwaltung.
Ausgangspunkt hierfür ist der Kultur und Verwaltung-Vortrag, aus dem insgesamt 16 Zitate in bearbeiteter Form in Zoepfs Komposition eingebettet wurden. Nicht nur die äußert geistreiche und differenzierte Betrachtungsweise Adornos, sondern auch dessen ausgefeilte Sprache sowie feine Ironie hatten ihn dazu bewogen, eine Arbeit mit einigen Passagen des von Adorno selbst gesprochenen Texts zu gestalten. Für Zoepf hat der Vortrag selbst 65 Jahre später nichts an Aktualität eingebüßt und die gewählten Ausschnitte bieten viele Anregungen, um über den Zusammenhang von Kultur, Verwaltung respektive Kulturindustrie nachzudenken. Der Brückenschlag aus der Praxis freier Improvisation heraus ist die Frage, welche Momente im Hinblick auf Kulturen der Improvisation im Anschluss an Adornos Thesen relevant sein können.
Die elektroakustische Komposition basiert neben dem Textmaterial auf der Verwendung eines modularen Doepfer-Synthesizers. Außerdem werden collagenartig Ausschnitte von Schallplatten aus den 1960er-Jahren einbezogen, mit Aufnahmen von Bach, Beethoven, Paul Kuhn oder dem Bristol Bar Sextett. Die Grundform der Komposition ist aus mehreren achtstimmigen Dreieckswellen aufgebaut, die sich langsam kaleideskopartig verändern. Im Verlauf des Stücks kommen weitere Wellenformen hinzu, perkussive Klänge und Geräusche ebenso wie eine Bearbeitung der Texte mit Hilfe von Techniken der Granular-, Re- und Multisynthese. Das Zusammenspiel zwischen der Dialektik von Komposition bzw. vorstrukturiertem Material und der Improvisation bzw. dem gesteuerten Zufall bildet die Grundlage für die konkrete Ausformung des Werks.
http://www.newimprovisedmusic.com/
Aufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?v=MNeepDjAYvs
© Kerstin Frymark