„Improvisation ist Leben, und Leben ist Improvisation.“ (Raymond MacDonald & Graeme Wilson)
Der Titel der neunten Ausgabe von key_concepts stammt aus The Art of Becoming. How Group Improvisation Works, einem ausgesprochen informativen und umfassendem Buch des schottischen Saxophonisten, Komponisten und Musikpsychologen Raymond MacDonald, das er gemeinsam mit Graeme Wilson verfasst hat. Das Buch untersucht Improvisation nicht nur als musikalische Technik, sondern als eine Art, sich mit der Welt auseinanderzusetzen – als einen dynamischen, sich entwickelnden Prozess, der sozial, kreativ und zutiefst menschlich ist.
Improvisation, wie sie in ihrer Arbeit beschrieben wird, ist eine Kunst des Werdens: eine Art der Interaktion, die sich gegen festgelegte Ergebnisse wehrt und stattdessen das Entstehen, die Offenheit und die Möglichkeit der Transformation und Entwicklung favorisiert. In seinem Vorwort zu dem Buch bezeichnet George Lewis Improvisation als eine Art „Vollendung ohne jemals Vollendung zu erreichen“. Er bezieht sich dabei auf die Improvisation als eine Form des Gedeihens, die auf Ungewissheit, Achtsamkeit und gemeinsamem Schaffen beruht.
Raymond MacDonald ist Professor für Musikpsychologie an der Universität von Edinburgh und ein international anerkannter Forscher auf dem Gebiet der Improvisationsstudien. Auf der Grundlage seiner Expertise als Akademiker und aktiver improvisierender Musiker verbindet seine Arbeit Theorie und Praxis und konzentriert sich auf Themen wie musikalische Kommunikation, Gruppeninteraktion, Kreativität, Identität, Bildung und Wohlbefinden. Er ist Gründungsmitglied des Glasgow Improvisers Orchestra und hat mit zahlreichen renommierten Künstler*innen zusammengearbeitet, darunter Marilyn Crispell, Evan Parker, Günter ‚Baby‘ Sommer, David Byrne und Jim O‘Rourke. Er hat über 60 Alben veröffentlicht und ist auf der ganzen Welt aufgetreten.
Im Gespräch mit Denkraum-Moderator Mathias Maschat werden Schlüsselfragen erörtert, die im Mittelpunkt von MacDonalds Forschung stehen: Was kann uns die Improvisation über Zusammenarbeit und Vertrauen lehren? Wie funktioniert die Gruppenimprovisation in verschiedenen kulturellen, sozialen und musikalischen Kontexten? Auf welche Weise kann Improvisation die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden unterstützen? Wie werden musikalische Identitäten durch Improvisation geformt oder verändert? Und was bedeutet es, ethisch, verantwortungsbewusst und inklusiv zu improvisieren?
Am 1. Mai, 20.00 Uhr, tritt Raymond MacDonald im exploratorium mit dem Berlin Improvisers Orchestra auf.
Im exploratorium gibt er am Sonntag, den 4. Mai, auch einen öffentlichen Workshop mit dem Titel Exploring Musical Identities in Improvisation.